Berlin, Germany
August 30, 2004
2004 zeichnet sich
für Landwirte und Verbraucher eine erfreuliche Entwicklung ab:
Sowohl bei
Getreide
als auch bei
Raps
können
Rekordergebnisse
gemeldet werden. Allerdings wurde der diesjährige Ernteverlauf
zu einer harten Geduldsprobe für unsere Landwirte. Den anfangs
guten Wachstumsbedingungen folgte im Frühsommer feuchtes und
kühles Wetter, das wenig erfreuliche Erinnerungen an die
Vorjahre aufkommen ließ. Die dann noch rechtzeitig einsetzende
trockene und warme Witterungsperiode erlaubte eine zügige
Einbringung der Ernte. Die Getreideernte ist bis auf die
traditionellen Spätdruschgebiete überwiegend abgeschlossen.
Aufgrund der häufigen niederschlagsbedingten Unterbrechungen
seit Mitte August konnten aber auch in den übrigen Regionen, vor
allem im Norden, Restflächen noch nicht abgeerntet werden.
Nach den
vorläufigen
Ergebnissen der Sachverständigen in den Statistischen
Landesämtern und in den Landesagrarministerien liegt die
Getreideernte
bei
50,1 Mill.
Tonnen
und lässt das seit Jahren beste Ergebnis von 2001 (49,7 Mill.
t) hinter sich. Im Vergleich zu der von der Dürre beeinflussten
Erzeugung des Vorjahres (39,4 Mill.
t) bedeutet dies einen Anstieg von
27,2 %.
Um die Zufälligkeiten eines Einzeljahres auszuschalten, ist
es sinnvoller, das aktuelle Ergebnis mit dem
langjährigen
Durchschnitt
(von 1998 bis 2003: 44,5 Mill.
t) zu vergleichen. Die diesjährige Getreideernte übertrifft
diesen Durchschnitt
immer noch um
12,6 %.
Die
Anbaufläche
für Getreide nahm
gegenüber 2003 nur
geringfügig zu
(+1,1 %).
Das hohe Ernteergebnis liegt also im Wesentlichen an den
Ertragssteigerungen. Die
Hektarerträge
erreichen im Durchschnitt 72,4 dt und bleiben
um 25,8% über dem
niedrigen
Vorjahresniveau
(57,6 dt).
Das
langjährige Mittel wird
sogar um 12,6 % überschritten.
Im
ökologischen Landbau
entsprechen die Produktionszuwächse dem Gesamtergebnis der
diesjährigen Ernte.
Die
Steigerung der
Hektarerträge
verteilt sich mit Abweichungen über
das gesamte
Bundesgebiet.
Sie ist in Ost- und Süddeutschland besonders ausgeprägt; diese
Gebiete hatten 2003 am stärksten unter der Trockenheit gelitten.
Dort gab es Zuwächse von 77 %
in Brandenburg und 61 %
in Sachsen. Selbst im Vergleich zum mehrjährigen Durchschnitt
wurden Steigerungen von 21 bis 23 %
erzielt. Im Ertragsniveau liegt Schleswig-Holstein weiterhin an
der Spitze.
Unter den Getreidearten hat
Winterweizen
seine Position als
führende Marktfrucht
ausgebaut. Mehr als die Hälfte (53 %)
der Getreideernte in Deutschland stammt von Winterweizen. Mit
24,6 Mill. Tonnen liegt die Erzeugung um ein Drittel über dem
Vorjahr. Ursachen hierfür sind höhere Deckungsbeiträge bei
Winterweizen im Vergleich zu anderen Marktfrüchten sowie bessere
Vermarktungschancen. Auf dem
zweiten Platz
folgt mit Abstand
Wintergerste.
Über
Roggen ist in
den letzten Jahren viel diskutiert worden; schließlich ist die
Intervention ab dem Wirtschaftsjahr 2004/05 abgeschafft worden.
Entgegen den Erwartungen wurde der rückläufige Trend im Anbau
2004 gestoppt. Die Flächenausdehnung dürfte ihre Ursachen u. a.
in den Aussaatbedingungen, den guten Vorjahrespreisen und
Anbauverträgen haben. Aus der neuen Ernte sind 3,7 Mill.
Tonnen auf dem Markt unterzubringen.
Eine weitere Erfolgsmeldung: Die
Qualitäten bei
Brotgetreide sind gut.
Brotweizen und Brotroggen werden in mehr als ausreichender Menge
zur Verfügung stehen. Die günstige Witterung Ende Juli bis Mitte
August hat dazu geführt, dass die Ernte größtenteils trocken
eingefahren werden konnte.
Aus Gründen des
gesundheitlichen
Verbraucherschutzes
haben wir auf Grundlage einer wissenschaftlichen Risikobewertung
rechtliche Regelungen zu Höchstmengen für Mykotoxine (Gifte von
Schimmelpilzen) erlassen. Diese Regelungen betreffen
insbesondere die ab Frühjahr diesen Jahres geltenden neuen
Höchstwerte für
Fusariumtoxine
in
Getreideerzeugnissen.
Die Bundesforschungsanstalt für Ernährung und Lebensmittel hat
erste Ergebnisse ermittelt, wonach die Ernte 2004 nicht
besonders hoch mit Fusariumtoxinen belastet ist. Die
Höchstmengen für
Mykotoxine
in Getreideerzeugnissen
dürften in diesem Jahr
weitestgehend eingehalten
werden können. Damit sind von der Wirtschaft mehrfach geäußerte
Befürchtungen, dass die aus Gründen des gesundheitlichen
Verbraucherschutzes festgesetzten Höchstmengen in diesem Jahr
nicht eingehalten werden könnten, nicht eingetroffen.
Die
Preisbildung
für Getreide ist in diesem Jahr schon
relativ weit fortgeschritten.
Dennoch gibt es
regionale Unterschiede,
da die Getreideernte noch nicht vollständig abgeschlossen ist.
Die große Getreideernte führt zu einem Preisdruck. Im Schnitt
liegen die
Erzeugerpreise
für Getreide
unter Vorjahresniveau.
Die Getreidepreise bewegen sich derzeit in einer Spanne von 7
bis 15 % unterhalb des Vorjahresniveaus. In den letzten Tagen
sind festere Preistendenzen insbesondere bei Brotweizen
erkennbar. Bei Roggen dagegen bleiben die Preise schwach, da im
beginnenden Vermarktungszeitraum keine Intervention mehr möglich
ist.
Auch in der
EU
insgesamt zeichnet sich 2004 eine
hohe Getreideernte
ab. Die Schätzungen liegen für die EU-25 bei knapp 280 Mill.
Tonnen,
etwa 21 % mehr als 2003.
Nicht ganz die Hälfte des erwarteten Mengenanstiegs entfällt
dabei voraussichtlich auf die Weichweizenerzeugung. Für
Körnermais wird aufgrund der guten Wachstumsbedingungen eine
Produktion von 51 Mill. Tonnen erwartet (im Vorjahr 40 Mill.
Tonnen).
Bei wenig verändertem Verbrauch innerhalb der Gemeinschaft ist
zu erwarten, dass die EU-Kommission angesichts der
Überschusssituation
verstärkt den
Export zur Marktentlastung
ankurbeln wird. Dies könnte bei Weizen am ehesten ohne
Erstattungen möglich sein, wobei das Währungsverhältnis Euro zu
Dollar eine entscheidende Rolle spielen könnte.
Bei anderen Kulturen werden die Erntemengen vom
weiteren Verlauf der
Witterung
abhängen: Die Erntemenge bei
Zuckerrüben
wird bei rückläufiger Fläche voraussichtlich unter dem Vorjahr
liegen. Die Winzer erwarten eine mengenmäßig normale
Weinernte
mit voraussichtlich guter Qualität. Für
Kartoffeln
kann noch keine sichere Prognose abgegeben werden, die
Erntemenge dürfte über dem Vorjahresniveau liegen. Im
Marktobstbau
wird bei
Äpfeln
die Erntemenge unter dem langjährigen Durchschnitt liegen. Bei
Pflaumen
und
Zwetschgen
werden sehr gute Ernteergebnisse erwartet. Die Erntemengen von
Birnen,
Kirschen
und
Erdbeeren
werden besser als der mehrjährige Durchschnitt beurteilt. Blattgemüse
verzeichnete gute Erträge.
Nahrungsmittel
sind im Preisgefüge der privaten Haushaltsausgaben auch in
diesem Jahr
Stabilitätsfaktor Nummer 1.
Für die
Verbraucherinnen
und
Verbraucher
wird sich die Rekordernte kaum auswirken. Bei Brot und anderen
Backwaren macht der Getreidepreis im Durchschnitt weniger als 5 %
am Endpreis aus. Preissenkungen bei Getreide dürften sich
deshalb nicht in den Verarbeitungsprodukten niederschlagen. Bei
Frischgemüse und Obst können die Verbraucherinnen und
Verbraucher aufgrund des reichlichen Angebots mit moderaten
Preisen rechnen.
Für die deutschen Landwirte dürften sich die
Absatzchancen
außerhalb des Nahrungs- und Futterbereichs spürbar verbessern.
Steuererleichterungen, der Ausbau der Verarbeitungskapazitäten
und die tendenziell hohen Ölpreise sprechen für eine größere
Verwendung von Getreide und Raps als
Biokraftstoff.
Aus diesen Gründen und wegen hoher Preise in der abgelaufenen
Kampagne ist der
Rapsanbau
ausgedehnt worden. Die Fläche erreichte 2004 1,26 Mill. Hektar
und liegt damit
3,6 % über Vorjahr.
Die
Erntemenge
dürfte mit rund 5,17 Mill. Tonnen ein
Rekordergebnis
erreichen,
45,2 % mehr als 2003.
Außerdem stimmt die Qualität. Die
Preise
zeigen nach
anfänglicher Schwäche
wieder festere Tendenzen. Sie liegen gegenwärtig
13 bis 15 % unter
dem hohen Vorjahresniveau.
Die weitere Entwicklung der Preise dürfte zum einen von der
guten inländischen Nachfrage nach
nachwachsenden
Rohstoffen und Ölen
geprägt sein. Zum andern ist die Situation auf dem Weltmarkt für
Ölsaatenprodukte von Bedeutung.
Der Anbau von Nachwachsenden Rohstoffen auf den
landwirtschaftlich genutzten Flächen in Deutschland könnte von
derzeit rund 830 000 ha auf mindestens 2 Mio. ha, nach Meinung
einiger Experten langfristig sogar auf ca. 3-4 Mio. ha
Ackerfläche, ausgebaut werden. Die zur Verfügung stehenden
organischen Nebenprodukte und Abfallstoffe (z.B. Stroh, Abfälle
der Lebensmittelindustrie, Klärschlamm etc.) stellen zusätzlich
einen noch kaum gehobenen Schatz dar. Auch die Nutzung von
Waldholz zur Stromerzeugung erhält durch die Änderung des EEG
einen wichtigen Impuls. Dabei muss man wissen: In Deutschland
wächst jedes Jahr immer noch viel mehr Holz zu als genutzt wird.
Wenn diese
Potenziale genutzt werden, können Land- und Forstwirte in
großem Stil zu Energie- und Rohstoffwirten werden und
Zehntausende Arbeitsplätze vornehmlich im ländlichen Raum
gesichert und geschaffen werden.
Dabei profitiert der ländliche Raum schon heute davon. So wurden
im letzten Jahr im Bioenergiesektor Umsatzerlöse von rund
1,3 Milliarden Euro erzielt, gleichzeitig wurden rund 1,5
Milliarden Euro investiert. In der Gesamtbilanz sind dies
fast 2,9 Milliarden Euro allein im Bioenergiebereich.
Wir können davon ausgehen, dass
schon jetzt rund 50
000 Arbeitsplätze durch die Produktion und Nutzung von Bioenergieträgern
geschaffen worden
sind, mit wachsender Tendenz
Allerdings: Noch sind die nachwachsenden Rohstoffe kein
Selbstläufer. Geeignete staatliche Rahmenbedingungen sind
genauso notwendig wie unternehmerisches Engagement, um die
Chancen dieser Zukunftsbranche zu nutzen. Bundesregierung und
Koalitionsfraktionen haben in den letzten Monaten
wichtige
Verbesserungen in der Förderpolitik erreicht.
Dazu gehören die verbesserten Förderkonditionen für Bioenergieanlagen
zur Wärmegewinnung im Rahmen des
Markteinführungsprogrammes-Erneuerbare-Energien (MAP), die
Erweiterung der Steuerbefreiung für Biotreibstoffe und die
am 1. August in Kraft getretene EEG-Novelle. Damit wurden innerhalb
kurzer Zeit die Rahmenbedingungen für sämtliche
Nutzungsformen der Biomasse (Strom, Wärme, Treibstoffe) spürbar
verbessert.
Zusammenfassend
können wir von einer außerordentlich guten Ernte sprechen, die
bei einigen Sorten Rekordergebnisse aufweist. Das ist erfreulich
für die landwirtschaftlichen Betriebe und letztlich auch für die
Verbraucher.
Diese Ernte-PK ist
die letzte ihrer Art
unter den Bedingungen der alten Agrarpolitik. Von Januar 2005 an
arbeiten die landwirtschaftlichen Betriebe unter völlig
veränderten Bedingungen. Mit der Umsetzung der von der
Bundesregierung maßgeblich mitbetriebenen Reform der
EU-Agrarpolitik haben wir die
Agrarwende
einen großen Schritt vorangebracht.
Mit den Regelungen zur
·
Entkopplung der
Prämien von der Produktion
·
Der
Koppelung der Zahlungen an die Einhaltung von Standards beim
Umwelt- und Tierschutz sowie der Lebensmittelsicherheit (cross
compliance)
·
Modulation, der Umwidmung
von Geldern zugunsten der Förderung der ländlichen Entwicklung
fördern wir im Ergebnis die Klasse und nicht mehr die Masse.
Im
kommenden Jahr arbeiten die landwirtschaftlichen Betriebe also
unter völlig neuen Bedingungen. Dies haben sie bei ihren
betriebswirtschaftlichen Entscheidungen zu berücksichtigen.
Mein Rat an die
deutschen Landwirte lautet: nutzen Sie die veränderten
Rahmenbedingungen ab Januar 2005 und die hinzugewonnene
Flexibilität auch dazu, jenseits der Nahrungsmittelproduktion
Einkommensquellen zu erschließen. Die Förderinstrumente stehen
bereit – sie sollten genutzt werden. |