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Deutsche Bundesministerin Künast stellt den vom Kabinett beschlossenen Entwurf des „Gesetzes zur Neuordnung des Gentechnikrechts“ vor
Berlin, Germany
February 11, 2004

Erklärung von Bundesministerin Renate Künast

„Wir haben heute im Bundeskabinett den Entwurf für die Novelle des Gentechnikgesetzes beschlossen. Dies ist ein Gesetz zum Schutz des gentechnikfreien Anbaus in Deutschland.

Die Grüne Gentechnik ist ein hoch sensibles Thema, das bis heute die Gemüter erregt und sehr kontrovers diskutiert wird. Großer Skepsis der überwiegenden Mehrheit der Verbraucherinnen und Verbraucher (wie im übrigen auch der Landwirte) steht ein zunehmender internationaler Druck entgegen. Hierbei geht es um das Invehrkehrbringen und den Anbau gentechnisch veränderter Organismen zu wirtschaftlichen Zwecken. Die Bundesregierung hat mit dem nötigen Fingerspitzengefühl den gesetzlichen Rahmen vorbereitet und damit das geltende Gentechnikrecht deutlich verbessert.

Zu Ihrem Hintergrund noch einmal:

Die Grüne Gentechnik unterliegt zu einem großen Teil EU-Regelungen.

  • Seit 1990 sind die Freisetzung und das Inverkehrbringen durch EU-Richtlinien geregelt.

  • Mitte der 90er Jahre wurden Genehmigungen für das Inverkehrbringen von gentechnisch verändertem Mais und Soja in der EU erteilt.

  • Seit 1998 gibt es im Rahmen des sogenannten de facto-Moratoriums keine weiteren Genehmigungen.

  • 2001 trat die novellierte Freisetzungsrichtlinie in Kraft, die vor allem den Freilandanbau gentechnisch veränderter Organismen in der Landwirtschaft regelt.

  • Ab dem 18. April 2004 gelten die Verordnung über gentechnisch veränderte Lebens- und Futtermittel und die Verordnung über die Rückverfolgbarkeit und Kennzeichnung.

  • Damit gibt es auf EU-Ebene Regelungen insbesondere für die Genehmigung, das Inverkehrbringen, die Kennzeichnung, die Rückverfolgbarkeit und das Monitoring.

  • Nun steht die EU-Kommission kurz davor, nach sechs Jahren de facto-Moratorium wieder Zulassungen für gentechnisch veränderte Organismen zu erteilen.

  • Wir sind nach wie vor der Ansicht, dass wir auch EU-einheitliche Koexistenz- und Haftungsregelungen brauchen. Das wollte die EU-Kommission bisher nicht.

Es ist es von grundlegender Bedeutung, dass wir in dieser Situation unsere Spielräume voll ausschöpfen und Regeln zum Schutze des gentechnikfreien Anbaus schaffen!

Deshalb hat die Bundesregierung den heute beschlossenen Gesetzentwurf ganz im Sinne eines Schutzgesetzes für alle diejenigen vorgelegt, die auch in Zukunft ohne Gentechnik arbeiten wollen. Wir sind damit im übrigen der erste Mitgliedstaat der EU, der hier klare Regelungen schafft. Der Gesetzentwurf enthält mein Hauptanliegen, gentechnikfreien Anbau in Deutschland in dem Rahmen, den die EU uns vorgibt, dauerhaft zu sichern.

Das Gesetz  flankiert die ab April europaweit gültigen Kennzeichnungsregelungen für Lebens- und Futtermittel. Dies bedeutet Transparenz für Verbraucher und Landwirte.

Das Gesetz sieht mehrere ineinander greifende Regelungen vor, die den gentechnikfreien Anbau schützen:

  • Denjenigen, die GVO anbauen wollen, wird zunächst eine gesetzliche Vorsorgepflicht auferlegt. Diese allgemeine Pflicht wird durch Regelungen der guten fachlichen Praxis im Umgang mit GVO konkretisiert, die in einer derzeit erarbeiteten eigenen Rechtsverordnung festgelegt werden. Die Rechtsverordnung wird zeitgleich mit dem Gesetz verabschiedet.

  • Angaben über den Ort, an dem gentechnisch veränderte Pflanzen angebaut werden, werden in einem Standortregister festgehalten. Ein möglicherweise beeinträchtigter Nachbar eines Landwirtes, der GVO anbaut, hat einen Anspruch auf flurstückgenaue Auskunft aus dem Register. 

  • Für den Fall, dass es trotzdem zu wesentlichen Beeinträchtigungen durch den Anbau von GVO kommt, war die Frage nach einer zivilrechtlichen Haftung bislang unklar. Diese Rechtsunsicherheit wird durch den Entwurf beseitigt: Die unbestimmten Rechtsbegriffe der BGB-Regeln zur zivilrechtlichen Haftung werden durch Klarstellungen im Gentechnikgesetz konkretisiert. Insbesondere wird definiert, dass eine "wesentliche Beeinträchtigung" etwa dann vorliegt, wenn ein Lebensmittel wegen einer GVO-Auskreuzung nicht mehr als „gentechnikfrei“ vermarktet werden kann. Zur Beweiserleichterung greift außerdem eine gesamtschuldnerische Haftung mehrerer in Betracht kommender GVO-Anbauer.

Daneben verstärkt das Gesetz den Umwelt- und Gesundheitsschutz.

Es enthält die von der Freisetzungs-Richtlinie vorgeschriebenen Regelungen etwa über das Monitoring von GVO im Hinblick auf Umwelt- und Gesundheitsrisiken.

Darüber hinaus wird das Vorsorgeprinzip ausdrücklich in den Gesetzeszweck aufgenommen und ist damit allgemeines Auslegungskriterium für Fragen des Umwelt- und Gesundheitsschutzes. Dies ist z.B. wichtig für die Beurteilung von Anträgen auf Zulassung von Freisetzung oder Inverkehrbringen.

Schließlich enthält der Gesetzentwurf besondere Regelungen für ökologisch sensible Gebiete. In diesen Gebieten wird eine Anzeigepflicht vor allem für die landwirtschaftliche Nutzung von GVO gelten. Die Naturschutzbehörden untersagen den GVO-Anbau, wenn er den naturschutzrechtlichen Vorgaben widerspricht.

Während wir die politischen und rechtlichen Rahmenbedingungen festlegen, findet auch im und auf dem Land sehr viel statt. In allen Bundesländern gibt es inzwischen Initiativen zur Einrichtung gentechnikfreier Zonen. Verschiedene Initiativen, Umwelt- oder Ökoverbände, Einzelpersonen oder Untergliederungen des deutschen Bauernverbandes sind aktiv, um regionale Absprachen und Selbstverpflichtungen ins Leben zu rufen. Dies halte ich für einen äußerst begrüßenswerten Ansatz.

Unser Gesetzentwurf schafft Regeln, die Betriebe, die gentechnikfrei arbeiten wollen, vor Auskreuzungen von GVO schützt. Ab 18. April gelten die EU-Verordnungen, die unter anderem die Kennzeichnung von gentechnisch veränderten Lebens- und Futtermitteln vorschreiben. Der rechtliche Rahmen steht im wesentlichen. Jetzt haben die Verbraucher und die Landwirte das Heft in der Hand. Auch sie entscheiden darüber, wie es in Zukunft mit der Grünen Gentechnik in Deutschland aussieht.“


Grüne Gentechnik konkret
Erläuterungen zur Novellierung des Gentechnikgesetzes
Einleitung

Hauptanliegen der Novelle des Gentechnikgesetzes ist es, neben dem Schutz von Umwelt und menschlicher Gesundheit die konventionelle gentechnikfreie und die ökologische Landwirtschaft vor Auskreuzungen von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) zu schützen.

Bei der Gentechnik haben die EU–Mitgliedstaaten durch umfassende Vorgaben des EU-Rechts nur einen eingeschränkten Handlungsspielraum. Auf EU-Ebene ist insbesondere geregelt, unter welchen Voraussetzungen gentechnisch veränderte Organismen zu Versuchszwecken oder für das Inverkehrbringen, d.h. den Handel, genehmigt werden. Auch die Kennzeichnung von GVO und daraus hergestellten Lebens- und Futtermitteln ist auf EU-Ebene geregelt.

Einen Spielraum haben die Mitgliedstaaten bei der Frage, ob und wie sie das Nebeneinander des Anbaus gentechnisch veränderter Pflanzen und nicht gentechnisch veränderter Pflanzen regeln. Unser Ziel ist es, die gentechnikfreie Produktion zu sichern und das unbeabsichtigte Vorhandensein von GVO in Lebens- und Futtermitteln zu vermeiden.

Insbesondere durch Pollenflug kann es zu unbeabsichtigten Auskreuzungen von GVO kommen. Dies kann zu Beeinträchtigungen für andere Landwirte führen, vor allem, wenn durch Auskreuzungen oder sonstige Einträge in größerem Umfang Erzeugnisse als „genetisch verändert“ gekennzeichnet werden müssen. Das Gleiche gilt, wenn Erzeugnisse wegen der Auskreuzung nicht mehr als Öko-Produkte gekennzeichnet werden dürfen, denn im ökologischen Landbau ist die Verwendung von GVO verboten. Ein generelles Anbauverbot für gentechnisch veränderte Pflanzen wäre mit EU-Recht nicht vereinbar.

Im Folgenden werden die wichtigsten Regelungen des Gesetzentwurfs der Bundesregierung näher erläutert.

Regelungen zum Schutz gentechnikfreier Landwirtschaft (Koexistenzregeln)

Der Gesetzentwurf enthält zum Schutze der gentechnikfreien Landwirtschaft insbesondere drei Instrumente:

  • Eine Vorsorgepflicht zur Vermeidung wesentlicher Beeinträchtigungen durch GVO, vor allem eine Pflicht zur Einhaltung der „guten fachlichen Praxis“ beim Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen,

  • ein Standortregister, über das Landwirte präzise Informationen über den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen in ihrer Nachbarschaft erhalten können,

  • Ausgleichsansprüche gegenüber dem GVO-Anbauer, wenn es zu wesentlichen Beeinträchtigungen durch Auskreuzungen kommt.

1.       Vorsorgepflicht und „gute fachliche Praxis“, § 16c

Der Gesetzentwurf sieht vor, dass vor allem beim Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen, aber auch bei bestimmten anderen Arten des Umganges mit GVO, wesentliche Beeinträchtigungen vermieden werden müssen. Eine wesentliche Beeinträchtigung liegt in drei Fällen vor:

  • Wenn durch die Auskreuzung von GVO Erzeugnisse nicht mehr in Verkehr gebracht werden können. Dies ist insbesondere möglich bei Auskreuzungen von GVO aus Freilandversuchen auf ein Nachbarfeld, wenn der Nachbar seine Erzeugnisse nicht mehr in Verkehr bringen darf, weil sie Spuren von GVO enthalten, die noch nicht für ein Inverkehrbringen zugelassen sind.

  • Wenn durch die Auskreuzung von GVO ein Nachbar seine Erzeugnisse als „genetisch verändert“ kennzeichnen muss. Als „genetisch verändert“ müssen künftig sämtliche Lebens- und Futtermittel gekennzeichnet werden, die zu einem Anteil von mehr als 0,9 Prozent gentechnisch veränderte Organismen oder daraus hergestelltes Material enthalten, selbst wenn dieser Anteil unbeabsichtigt ist.

  • Wenn durch die Auskreuzung von GVO ein Nachbar seine Erzeugnisse nicht mehr als aus ökologischem Landbau stammend oder mit dem Hinweis „ohne Gentechnik“ kennzeichnen darf. Die Voraussetzungen der „Ohne-Gentechnik“-Kennzeichung sind in Deutschland in der Neuartige-Lebensmittel-Verordnung im Einzelnen geregelt.

Damit das Ziel, wesentliche Beeinträchtigungen durch das unbeabsichtigte Vorhandensein von GVO zu vermeiden, erreicht werden kann, zählt das Gesetz verschiedene Grundpflichten auf, wie z.B. die Einhaltung von Mindestabständen zwischen Feldern. Außerdem muss derjenige, der mit GVO kommerziell umgeht, entsprechende Zuverlässigkeit, Kenntnisse, Fertigkeiten und Ausstattung nachweisen. Derjenige, der GVO in Verkehr bringt, muss eine Produktinformation mitliefern („Beipackzettel“), aus der hervorgeht, wie beim Umgang mit dem jeweiligen GVO wesentliche Beeinträchtigungen vermieden werden können. Ein Beispiel hierfür wären genaue Hinweise des Saatgutlieferanten auf die Anbaugestaltung des GVO. Zur Präzisierung dieser Pflichten wird es eine Rechtsverordnung geben. Damit die Behörden auf Grundlage zukünftiger Erfahrungen mit einem Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen die Regeln anpassen können, muss derjenige der GVO in Verkehr bringt oder damit umgeht, den Behörden neue Erkenntnisse über Risiken mitteilen.

2.       Standortregister, § 16a

Es wird ein auch über das Internet zugängliches, öffentliches Register geben, in dem Informationen über den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen in Deutschland gespeichert sind. Wer ein berechtigtes Interesse glaubhaft machen kann, hat einen Anspruch auf detaillierte Auskunft. Daher kann insbesondere ein möglicherweise beeinträchtigter Nachbar eines GVO-Feldes Auskunft über das betreffende Flurstück erhalten.

3.       Zivilrechtliche Abwehr- und Ausgleichsansprüche, § 36a

Ob es zu Auskreuzungen oder sonstigen Einträgen von GVO kommt, hängt von einer Vielzahl von Faktoren ab, etwa vom jeweiligen Klima oder besonderen geographischen Gegebenheiten. Daher ist bei einem Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen nicht ausgeschlossen, dass es zu wesentlichen Beeinträchtigungen kommt, auch wenn die Vorsorgepflicht und die gute fachliche Praxis eingehalten worden sind.

Dieses Risiko wird bislang vom deutschen Zivilrecht nur unzureichend abgedeckt. Zwar enthält das Nachbarrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches Abwehr- und Ausgleichsregelungen für wesentliche Beeinträchtigungen zwischen Nachbarn, aber die betreffenden Regelungen enthalten viele unbestimmte Rechtsbegriffe, so dass eine erhebliche Rechtsunsicherheit besteht.

Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die wichtigsten dieser unbestimmten Rechtsbegriffe konkretisiert werden und schafft somit Klarheit und Rechtssicherheit. Dies gilt vor allem für den Fall, dass mehrere Nachbarn GVO anbauen und sich im Nachhinein nicht mehr klären lässt, wer im konkreten Fall eine Beeinträchtigung verursacht hat. Der Gesetzentwurf stellt insoweit klar, dass grundsätzlich eine gesamtschuldnerische Haftung der betreffenden GVO-Nachbarn greift, d.h. der Beeinträchtigte kann entscheiden, gegen welchen Nachbarn er seinen Ausgleichsanspruch geltend macht.

Wer GVO anbaut, ist somit für wesentliche Beeinträchtigungen ausgleichspflichtig.

Sonstige wichtige Regelungen

4.       Vorsorgeprinzip, § 1

Das Vorsorgeprinzip soll nach dem Gesetzentwurf ausdrücklich in die Zweckbestimmung des Gentechnikgesetzes aufgenommen werden. Dies ist wichtig für die Auslegung aller sicherheitsrelevanten Vorschriften des Gesetzes, insbesondere der Genehmigungsvorschriften. Nach dem Vorsorgeprinzip können die Behörden vorläufige Schutzmaßnahmen auch bei Unsicherheiten hinsichtlich des Vorliegens oder des Umfangs von Risiken für die Umwelt oder Gesundheit treffen, ohne dass abgewartet werden muss, dass das Bestehen und die Schwere dieser Risiken vollständig dargelegt werden.

5.       Monitoring, § 16d

Damit eine Genehmigung zum Inverkehrbringen von GVO auf EU-Ebene erteilt wird, muss der Antragsteller künftig einen Entwurf für einen Plan mit Beobachtungsmaßnahmen (Monitoring) vorlegen. Damit soll auch nach dem Inverkehrbringen die Sicherheit von Umwelt und Gesundheit so gut wie möglich gewährleistet werden.

6.       Befristung von Genehmigungen, § 16e

Genehmigungen zum Inverkehrbringen von GVO werden künftig für höchstens zehn Jahre erteilt. Bei der Verlängerung von Genehmigungen müssen insbesondere die Ergebnisse des Monitoring berücksichtigt werden.

7.       Schutz ökologisch sensibler Gebiete, § 16b

Der Entwurf enthält Sonderregeln für den Schutz ökologisch besonders sensibler Gebiete, die zu dem europäischen „Natura 2000“-Netzwerk gehören. Hier wird künftig die landwirtschaftliche Nutzung von GVO, aber auch ein vergleichbarer Umgang, nur nach einer Mitteilung an die Naturschutzbehörde zwei Monate vor Beginn der Nutzung zulässig sein. Die Naturschutzbehörde untersagt die Nutzung, wenn eine erhebliche Beeinträchtigung des Gebietes zu befürchten ist.

Außerdem ändert der Entwurf das Bundesnaturschutzgesetz dahingehend, dass Freilandversuche auf ihre Verträglichkeit mit den „Natura 2000“-Gebieten zu überprüfen sind.

8.       Auskreuzungen aus Freilandversuchen, § 3 Nr. 6

Bislang war bei den Überwachungsbehörden der Länder und den Gerichten umstritten, was mit Auskreuzungen von GVO aus Freilandversuchen auf ein Nachbarfeld geschieht. Der Gesetzentwurf stellt insoweit klar, dass die Auskreuzungsprodukte, die ja nur zu Versuchszwecken und nicht für ein Inverkehrbringen genehmigt sind, nicht in den Verkehr gebracht werden dürfen. Ein Nachbar, der seine Erzeugnisse somit nicht mehr vermarkten kann, hat dafür einen Ausgleichsanspruch gegen den Betreiber des Freilandversuches.

9.       Genehmigungsbehörden und -gremien, §§ 4 ff., 16 Abs. 4

Auch bei der Bestimmung der in den Genehmigungsverfahren beteiligten deutschen Behörden sieht der Entwurf eine verstärkte Berücksichtigung des Umweltschutzes vor. Anders als bisher soll jetzt das Bundesamt für Naturschutz auch bei Genehmigungen für das Inverkehrbringen von GVO, die unter Beteiligung der Mitgliedstaaten EU-weit in Brüssel erteilt werden, ein Veto-Recht hinsichtlich der Stellungnahme von Deutschland haben.

Bei der Zentralen Kommission für Biologische Sicherheit, einem Expertengremium aus Naturwissenschaftlern und Vertreterinnen und Vertretern der betroffenen Gesellschaftsgruppen, soll ein neuer Ausschuss gebildet werden, der ausschließlich für Sachverständigengutachten bei Genehmigungen von Freilandversuchen und Inverkehrbringen zuständig ist.


Fragen und Antworten zur Grünen Gentechnik

 

Warum kann die Bundesregierung  gentechnisch veränderte Lebens- und Futtermittel nicht generell verbieten?

In den WTO-Welthandelsabkommen wurde vereinbart, dass einem Produkt der Zugang zu einem Markt nicht verwehrt werden darf, wenn dafür keine ausreichende wissenschaftliche Begründung vorliegt. Der wissenschaftliche Nachweis einer Gefährdung von Mensch, Tier und Umwelt durch gentechnisch veränderte Organismen kann nicht generell erbracht werden. Eine genaue Untersuchung ist für jeden Einzelfall erforderlich. Deutschland und auch die EU können also nicht pauschal die Einfuhr oder den Anbau sämtlicher gentechnisch veränderter Organismen verbieten.
 

Das Inverkehrbringen von gentechnisch veränderten Lebens- und Futtermitteln ist nach den Regelungen der EU genehmigungspflichtig. Diese Regelungen sollen sicherstellen, dass die Nutzung von gentechnisch veränderten Produkten keine schädlichen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt hat. Sollte jedoch aufgrund neuer oder zusätzlicher Informationen oder wissenschaftlicher Erkenntnisse berechtigter Grund zu der Annahme bestehen, dass ein gentechnisch verändertes Produkt eine Gefahr für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt darstellt, so kann die Verwendung des Produkts eingeschränkt oder verboten werden.

Um Gefahren eines gentechnisch veränderten Produkts frühzeitig zu erkennen, verlangen die neuen Gentechnikregelungen ein marktbegleitendes Monitoring von Gentechnikprodukten.

Dass gentechnisch veränderte Produkte bei uns auf den Markt kommen, ist also nicht generell zu verhindern, sondern zu kontrollieren und diejenigen, die gentechnikfrei arbeiten wollen, sind zu schützen. Ob diese Produkte aber gekauft werden und sich am Markt etablieren können, entscheiden allein die Verbraucherinnen und Verbraucher.

 

Sind gentechnisch veränderte Lebensmittel heute in Deutschland schon auf dem Markt?
 

Gentechnisch veränderte Bestandteile können sich vor allem in Lebensmitteln befinden, die aus Soja hergestellte Zutaten (z.B. Sojalecithin) enthalten, soweit importierter Soja zu ihrer Herstellung verwendet wurde. Da bisher jedoch nur solche gentechnisch veränderten Lebensmittel gekennzeichnet werden mussten, bei denen die gentechnische Veränderung analytisch nachweisbar war, ließ sich nicht mit letzter Gewissheit sagen, in welchem Umfang Lebensmittel gentechnisch veränderte Zutaten enthalten.

Nach der neuen Kennzeichnung, die ab 18. April 2004 gilt, muss selbst dann gekennzeichnet werden, wenn die Veränderung im Endprodukt analytisch nicht mehr nachweisbar ist, im Herstellungsprozess aber gentechnisch veränderte Bestandteile verwandt wurden.

 

Wie erkenne ich künftig, ob gentechnisch veränderte Bestandteile in einem Lebensmittel enthalten sind?
 

Nach der ab 18. April 2004 anzuwendenden EU-Verordnung über genetisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel müssen künftig unabhängig von der Nachweisbarkeit sämtliche Lebens- und Futtermittel als „genetisch verändert“ gekennzeichnet werden, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten, aus ihnen bestehen oder aus ihnen hergestellt wurden. Auf dem Produkt muss dies in der Zutatenliste bzw. bei unverpackten Waren bei der Auslage mit den Worten „genetisch verändert“, „enthält genetisch verändertes ...“ oder „aus genetisch verändertem ... hergestellt“ angegeben werden. Das Bundesverbraucherministerium begrüßt diese erweiterte Kennzeichnungspflicht und drängt auf ihre konsequente Umsetzung.

Verbraucherinnen und Verbraucher sollten beim Kauf die Zutatenliste auf dem Etikett genau durchlesen.

Viele Verbraucherinnen und Verbraucher lehnen gentechnisch veränderte Lebensmittel ab. Darauf hat auch der Handel reagiert. Es gibt Handelsketten, die keine gentechnisch veränderten Lebensmittel in den Geschäften anbieten.

In Ökoprodukten - klar erkennbar am Biosiegel – dürfen nach der EG-Ökoverordnung im Produktionsprozess keine gentechnisch veränderten Bestandteile verwendet werden.

 

Gibt es Ausnahmen von der Kennzeichnungspflicht?
 

Ausnahmen von der Kennzeichnungspflicht gibt es nur dann, wenn die Spuren von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) oder daraus hergestelltem Material unbeabsichtigt oder technisch unvermeidbar in das Produkt gelangt sind. Hierfür gilt ein Schwellenwert von 0,9 Prozent.

Wenn GVO bewusst im Produktionsprozess verwendet wurden, muss dies unabhängig von jedem Schwellenwert gekennzeichnet werden.

Fleisch/Eier/Milch von Tieren, die mit gentechnisch verändertem Futter gefüttert wurden, müssen weiterhin nicht gekennzeichnet werden. Eine Kennzeichnungspflicht für diese Produkte darf nach EU-Recht von den Mitgliedstaaten national nicht vorgeschrieben werden.

 

Wer kontrolliert, ob die Produkte richtig gekennzeichnet sind?

Für die Kontrolle der Einhaltung der Gesetze sind die Bundesländer zuständig. Die Lebensmittel- und Futtermittelüberwachung übernehmen also die Überwachungsbehörden der Länder. Dies können z.B. Veterinär-, Lebensmittelüberwachungs- oder Gesundheitsämter sein. Das zuständige Amt kann bei der Kreis- oder Stadtverwaltung erfragt werden.

Wie können gentechnisch veränderte Bestandteile zufällig in ein Produkt gelangen?

Schon beim Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen kann es beispielsweise durch Pollenflug zu unbeabsichtigten Auskreuzungen auf Nachbarfelder kommen. In der weiteren Produktionskette ist zu berücksichtigen, dass Lebensmittel häufig aus vielen verschiedenen Zutaten von verschiedenen Lieferanten bestehen. Die Lebensmittelzutaten werden im Produktionsprozess in verschiedenen Behältern (z.B. Tanklastzügen oder Containern) transportiert. Oftmals sind Zwischenlagerungen und Verarbeitungsstufen mit verschiedenen Maschinen oder Anlagen notwendig. Dabei kann es zu Vermischungen mit gentechnisch veränderten Bestandteilen kommen, wenn dort vorher solche Substanzen gelagert oder verarbeitet wurden.

Was bedeutet Monitoring?
 

Unter Monitoring versteht man die Beobachtung eines Produktes nach dessen Freisetzung oder Inverkehrbringen. Wenn sich nach dem Inverkehrbringen eines gentechnisch veränderten Organismus neue Erkenntnisse z.B. über dessen Auswirkungen auf Umwelt oder Gesundheit von Mensch und Tier ergeben, kann darauf reagiert werden.

 

Welche rechtlichen Regelungen gelten für den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen in der EU?
 

Während sich die Zulassung, Kennzeichnung und Rückverfolgbarkeit von gentechnisch veränderten Pflanzen im Wesentlichen nach EU-Verordnungen richtet, unterliegen Regelungen über den Anbau der EU-Freisetzungsrichtlinie. EU-Verordnungen gelten unmittelbar in den Mitgliedstaaten der EU, die Richtlinie müssen jedoch in nationales Recht umgesetzt werden.

Das bedeutet, dass Deutschland zur Umsetzung der Freisetzungsrichtlinie ein eigenes Gesetz erlassen muss. Die Bundesregierung hat deshalb den Entwurf für ein Gesetz zur Novellierung des Gentechnikgesetzes beschlossen, das, soweit es juristischen Spielraum gibt, die gentechnikfreie Erzeugung schützt .

 

Welche Rechtsgrundlagen gelten in Deutschland für den Anbau und die Verwendung gentechnisch veränderter Organismen (GVO)?
 

Seit 1990 regelt das Gentechnikgesetz insbesondere die Freisetzung und das Inverkehrbringen von GVO in Deutschland. Die Bundesregierung hat zur Umsetzung der europäischen Freisetzungsrichtlinie am 11. Februar 2004 den Gesetzentwurf zur Novellierung des Gentechnikgesetzes beschlossen, der die zentrale Frage des Schutzes von gentechnikfreier konventioneller und ökologischer Landwirtschaft regelt. Der Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen wird strikten Regelungen unterworfen, die "schleichende" Einführung der grünen Gentechnik wird damit unterbunden. Der Gesetzentwurf geht nun in das Gesetzgebungsverfahren von Bundestag und Bundesrat.

 

Welche konkreten Schutzmaßnahmen sollen nach dem neuen Gentechnikgesetz gelten?
 

Es wird eine Vorsorgepflicht für den Umgang mit gentechnisch veränderten Pflanzen, gentechnisch veränderten Tieren und anderen gentechnisch veränderten Organismen geben. Sie wird durch Regeln der guten fachlichen Praxis, wie z.B. Mindestabstände zwischen Feldern mit gentechnisch veränderten Pflanzen und ökologisch oder konventionell gentechnikfrei bewirtschafteten Feldern konkretisiert.

Landwirte, die gentechnisch veränderte Organismen anbauen wollen, müssen dies rechtzeitig vorher an die dafür zuständige Stelle des jeweiligen Bundeslandes melden. Es wird auf Grundlage dieser Informationen ein Standortregister eingerichtet, das der Anbauüberwachung und der Information der Öffentlichkeit dient.

 

Wer haftet bei Auskreuzung oder Eintrag von gentechnisch veränderten Organismen in gentechnikfreie konventionelle oder ökologische Bestände?

Wenn der durch die Auskreuzung oder den Eintrag von gentechnisch veränderten Organismen betroffene Landwirt seine Produkte als „genetisch verändert“ kennzeichnen muss oder sie nicht mehr wie geplant mit dem Hinweis „ohne Gentechnik“ oder als Ökoprodukte vermarkten kann, so haftet nach dem Gesetzentwurf der Bundesregierung der Nachbar, der diese wesentliche Beeinträchtigung verursacht hat. Kommen für die Auskreuzung oder den Eintrag gentechnisch veränderter Organismen mehrere Verursacher in Frage, so haften diese als Gesamtschuldner. Der beeinträchtigte Landwirt kann entscheiden, gegenüber welchem Nachbarn er den Ausgleichsanspruch geltend macht.
Wer gentechnisch veränderte Organismen anbaut, geht somit das Risiko ein, ausgleichspflichtig zu werden.

Was ist unter Koexistenz beim Anbau gentechnisch veränderter Organismen zu verstehen?

Unter Koexistenz versteht man die Schutzregelungen für gentechnikfreie konventionelle und ökologische Landwirtschaft vor Beeinträchtigungen durch die Gentechnik verwendende Landwirtschaft. Der Gesetzentwurf dient vor allem dem Schutz des gentechnikfreien Anbaus. Dazu enthält er insbesondere drei Mechanismen:

  • Eine Vorsorgepflicht zur Vermeidung wesentlicher Beeinträchtigungen durch gentechnisch veränderte Organismen, vor allem Regelungen der „guten fachlichen Praxis“ beim Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen,

  • ein Standortregister, über das Landwirte präzise Informationen über den Anbau gentechnisch veränderter Pflanzen in ihrer Nachbarschaft erhalten können,

  • Ausgleichsansprüche gegenüber dem Landwirt, der gentechnisch veränderte Pflanzen anbaut, wenn es zu wesentlichen Beeinträchtigungen durch Auskreuzungen kommt.

Welche Regelungen der guter fachlicher Praxis sind für die verschiedenen Arten des Umgangs mit gentechnisch veränderten Organismen im Gesetzentwurf vorgesehen?

Der Gesetzentwurf sieht verschiedene Regelungen der guten fachlichen Praxis vor:

  • beim Anbau: Einträge in andere Grundstücke bei Aussaat und Ernte verhindern, Auskreuzungen vermeiden insbesondere durch Mindestabstände, Sortenwahl, Durchwuchsbekämpfung oder Nutzung natürlicher Pollenbarrieren, wie z.B. Hecken,

  • bei der Haltung von gentechnisch veränderten Tieren: Verhinderung des Entweichens aus der Haltung oder des Eindringens anderer Tiere der gleichen Art in den Haltebereich,

  • bei der Lagerung: Verhinderung der Vermischung mit anderen Produkten insbesondere durch räumliche Trennung und Reinigung der Lagerstätten und Behältnisse,

  • bei der Beförderung: Verhinderung von Verlusten sowie Vermischung durch Trennung von anderen Produkten und Reinigung der Beförderungsmittel.

Was sind gentechnikfreie Regionen oder gentechnikfreie Zonen?
 

Seit dem letzten Jahr gründen sich fast überall in Deutschland immer mehr Initiativen und Bündnisse, die den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen in ihren Regionen verhindern wollen. Viele Landwirte treten diesen Initiativen oder Bündnissen bei oder haben sich auf freiwilliger Basis bereit erklärt, auf den Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen zu verzichten.

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