Berlin, Germany
February 2, 2005
„International Symposium on Renewable Resources for the Chemical
Industry” eröffnet
Neue Technologien
und Produkte zur Nutzung nachwachsender Rohstoffe stehen im
Zentrum eines Internationalen Symposiums, zu dem das
Bundesverbraucherministerium nach Potsdam eingeladen hat und das
Bundesministerin
Renate Künast
heute eröffnete. „Wir müssen weg vom Öl. Das gilt nicht nur für
die Kraftstoffe oder die Strom- und Wärmeerzeugung, sondern auch
für die Verwendung in der chemischen Industrie. Nachwachsende
Rohstoffe sind dort vielfältig einsetzbar und wir verfügen über
die Technologien, sie effizient zu nutzen. Wir wollen daher
diesen Bereich durch gezielte Förderung von Forschung und
Entwicklung und durch die Weiterentwicklung der
Rahmenbedingungen voran bringen“, so Künast.
Mit über einer Million Hektar haben auch die Anbauflächen für
Energie- und Rohstoffpflanzen in Deutschland eine neue Dimension
erreicht. Während immer mehr Landwirte von der Produktion
nachwachsender Rohstoffe profitieren, sind deutsche Unternehmer
führend, was die Technologien ihrer Nutzung betrifft. Einige
Branchen kommen bereits nicht mehr ohne nachwachsende Rohstoffe
aus. Biohochleistungsschmierstoffe beispielsweise oder
Bioverbunde für Kraftfahrzeuge sind längst Stand der Technik und
haben sich ihren eigenen Markt erobert. Die intensive Förderung
durch das Bundesverbraucherministerium über die Fachagentur
Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR) hat dazu erheblich
beigetragen.
Fachleute diskutieren heute und morgen über die aktuellen
Entwicklungen bei der Nutzung von nachwachsenden Rohstoffen in
der chemischen Industrie. Dabei geht neben technischen Aspekten
auch um ökonomische und ökologische Fragen. Für die chemische
Industrie spielt insbesondere die Biokonversion eine
wichtige Rolle. Dabei veredeln Mikroorganismen oder Enzyme
Rohstoffe aus der heimischen Landwirtschaft zu hochwertigen
chemischen Substanzen. Neue organische Zwischenprodukte, Fein-
und Spezialchemikalien oder Biopolymere gibt es mittlerweile in
großer Vielfalt.
Rohstoffe vom Acker -
Chance,
die es zu nutzen gilt!
(Source in PDF format:
http://www.bmvel.bund.de/data/0002D01B8ABC12009A846521C0A8D816.0.pdf
)
Ob
Bioplastik, Bioschmierstoff, Naturfaserverbunde oder
Pharmazeutika – Produkte aus nachwachsenden Rohstoffen haben
einen großen Vorteil: eine nie versiegende Rohstoffquelle.
Pflanzen für nachwachsende Rohstoffe werden in Deutschland schon
auf rund 1 Mio. Hektar angebaut. Das sind fast 10 Prozent der
landwirtschaftlich genutzten Fläche

Abb.: Entwicklung der
landwirtschaftlichen Anbaufläche
nachwachsender Rohstoffe in Deutschland
(Quelle: BMVEL, die Werte für 2004 beruhen teilweise auf
Schätzungen)
Nicht nur Rapsöl zählt zu den heimischen Rohstoffen, Bedeutung
haben auch Stärke aus Kartoffeln oder Weizen, Zucker,
Naturfasern wie Flachs oder Hanf und pflanzliche Wirkstoff für
Arzneimittel. Nicht zu vergessen das Holz, das als Baustoff und
Energiequelle eine Renaissance erlebt.

Tab.: Anbau nachwachsender Rohstoffe in Deutschland 2003/2004
(Quelle: BMVEL, die Werte für 2004 beruhen teilweise auf
Schätzungen)
Die gewachsene Anbaufläche macht es deutlich: die Industrie
fragt die Biorohstoffe nach und die Landwirte erkennen sie mehr
und mehr als Einkommensalternative. Ohne das Engagement des
BMVEL wäre diese Entwicklung nicht in Gang gekommen. Denn erst
die Forschungsförderung über Projektträger des BMVEL, die
Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR), hat dafür die
Voraussetzungen geschaffen. Jährlich unterstützt die FNR rund
300 Forschungs- und Entwicklungsprojekte, deren Großteil sich um
chemisch-technische Nutzungen der Biorohstoffe dreht.

Abb.: Chemisch-technische Nutzung: Verteilung des
Fördermittelvolumens
und Anzahl laufender Projekte nach Produktlinien
(Stand: 30.06.2004/Quelle: FNR Jahresbericht 2003/2004)
Seit über 11 Jahren treibt die FNR Forschung und Entwicklung zu
nachwachsenden Rohstoffen voran. In weit über 1000 Projekten
wurden Grundlagen für die weitere Arbeit geschaffen, aber auch
Produkte bis zur Marktreife geführt. Mit 27 Mio. Euro
Fördermitteln für Forschung- und Entwicklung kann die FNR 2005
mehr bewegen als je zuvor. Auch dort wo Produkte aus
nachwachsenden Rohstoffen bereits auf dem Markt erhältlich sind,
unterstützt die FNR mit gezielten Maßnahmen. 10 Mio. sind 2005
für die Markteinführung von Biokraftstoffen in der
Landwirtschaft eingeplant, 16,6 Mio. Euro für andere Produkte,
u.a. Bioschmierstoffe. Wie die Markteinführung zu den
verschiedenen Produkten konkret unterstützt wird, ist in
Richtlinien fixiert.
Die Bioschmierstoffen haben von der Markteinführung durch die
FNR schon erheblich profitiert. Schon heute sind über 450
verschiedene
Bioschmierstoffe im
Handel erhältlich: egal ob Hydraulik-, Motor-, Sägeketten- oder
Haushaltsöl, für fast jede Anwendung gibt es ein passendes
Pflanzenölprodukt. Die Entwicklung steht jedoch längst noch
nicht still und auch der Marktanteil von heute einem Prozent
ließe sich deutlich steigern. Denn Bioschmierstoffe sind nicht
nur biologisch schnell abbaubar, sondern überzeugen vor allem
durch ihre Leistungsfähigkeit. Biohydrauliköle beispielsweise
halten länger und schmieren oft besser als herkömmliche
Produkte.
Von Biokunststoffen
könnten vor allem der Handel, die Gastronomie und der Gartenbau
profitieren. Aus Stärke, Zucker oder Pflanzenöl macht die
Industrie mittlerweile nicht nur Tüten und Verpackungen, auch
Einweggeschirr oder Pflanztöpfe sind auf dem Markt. Die
Materialien sind biologisch abbaubar und können sowohl
kompostiert als auch ökologisch sinnvoll für die
Energiegewinnung nachgenutzt werden. Die Rahmenbedingungen für
die Nutzung dieser Materialien wurden mit der jüngsten Anpassung
der Verpackungs-Verordnung in Deutschland verbessert. Mit einer
eigenen Norm DIN V 54900 für Kompostierbarkeit ist ebenfalls ein
wichtiger Schritt getan. Das weitere Engagement für die
Werkstoffe aus nachwachsenden Rohstoffen lohnt sich in jedem
Fall, jährlich werden rund 4 Mio. Tonnen Kunststoffe für
Verpackungen benötigt.
In
neuen Fahrzeugen stecken heute schon durchschnittlich etwa 16
Kilo der unterschiedlichsten Naturfasern. Die Vorteile
naturfaserverstärkter Kunststoffe
(NFK) hat die Automobilindustrie also längst erkannt. Die Fasern
aus Flachs oder Hanf lassen sich nicht nur einfacher verarbeiten
als beispielsweise Glasfasern, sie sind auch leichter. Verbaut
man NFK in Fahrzeugen, lässt sich das Wagengewicht und damit
auch der Kraftstoffverbrauch senken. Was in Türverkleidungen von
Autos oder Waggons gängig ist, erprobt die Wissenschaft jetzt
auch für Kanus oder Rotorblätter von Windkraftanlagen.
Während dem Kunden oft nicht bewusst ist, dass Kosmetika heute
zu großen Teilen aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen, weiß er
sie in Pharmazeutika wohl zu schätzen. 2002 waren schon 30
Prozent der in deutschen Apotheken freiverkäuflichen Mittel
Phytopharmaka, die oft verträglicher sind und kaum
Nebenwirkungen haben. Die Herausforderung für die Wissenschaft
besteht bei den Arzneipflanzen nicht nur im Aufbau eines
systematischen Anbaus in Deutschland. Oft muss auch erst der
richtige Weg gefunden werden, in der Pflanze enthaltenen
Wirkstoffe zu großen Anteilen und möglichst rein zu gewinnen.
Rohstoffe und Nutzungsmöglichkeiten bergen Vielfalt, aber auch
die Spanne der Verarbeitungswege wird immer breiter. Neue
Verfahren wie die Biotechnologie versprechen besondere Erfolge.
Der Chemiker vertraut dabei ganz auf die Arbeit von
Mikroorganismen wie Bakterien oder Enzymen. Sie wandeln
Biorohstoffe in hochwertige chemische Zwischenprodukte um. Was
aus der Alkoholvergärung seit langem bekannt ist, wird in den
letzten Jahren zunehmend auf andere Bereiche ausgedehnt. Oft
sind es längst bekannte Fein- und Spezialchemikalien oder
Biopolymere aus nachwachsenden Rohstoffen, die sich über die
Biokonversion schneller und günstiger oder erstmals auch aus
heimischen Rohstoffen gewinnen lassen.
Neben der stofflichen Nutzung land- und forstwirtschaftlicher
Rohstoffe hat die energetische in den letzten Monaten erheblich
an Interesse gewonnen. Hohe Rohölpreise machen die Bioenergie
als ökonomische Alternative offensichtlich. Momentan nur mit
rund eineinhalb Prozent beteiligt, könnte sie 2030 über 17
Prozent des deutschen Energiebedarfs decken.
Egal, ob als Rohstoff für die Industrie oder als Energiequelle,
nachwachsende Rohstoffe können in vielerlei Hinsicht zum
nachhaltigen Wirtschaften beitragen. Denn schon heute gibt es
viele Anwendungen, in denen sie Erdöl ebenbürtig sind. Am
weiteren Zusammenwirken von Wirtschaft und Politik aber auch am
Verbraucher liegt es, die Chance zu ergreifen. Denn von
nachwachsenden Rohstoffen profitieren nicht nur der Landwirt als
Produzent und die Industrie als Verarbeiter. Wer die positive
Umwelteigenschaften kennt und um die Notwendigkeit weiß,
begrenzte fossile Rohstoffe zu ersetzen, kommt an den
Biorohstoffen nicht vorbei. |