Berlin, Germany
June 23, 2005
„Der Vorschlag der EU-Kommission zur Reform der
Zuckermarktordnung ist völlig überzogen und eine Kampfansage an
die deutschen und europäischen Zuckerrübenan-bauer.“ Mit dieser
eindeutigen Bewertung reagierte der Präsident
des Deutschen
Bauernverbandes (DBV), Gerd Sonnleitner, in der
Mitgliederversammlung des DBV während des Deutschen Bauerntages
auf die offizielle Bekanntgabe der Reformvorschläge durch
EU-Agrarkommissarin Mariann Fischer-Boel. Sonnleitner brach die
Mitgliederversammlung ab, damit die rund 500 Delegierten sich
solidarisch der spontanen Demonstration mit fast 400
Zuckerrübenbauern aus Niedersachsen, Bayern,
Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg vor der Tagungsstätte des
Bauerntages anschließen konnten. Mit einem lang anhaltenden
schrillen Trillerpfeifenkonzert reagierten die Rübenbauern auf
die Kommissionsvorschläge. „Zucker nur noch aus Brasilien? Nein
Danke!“, “Heimischer Zucker zum Nutzen unserer Verbraucher“
stand auf mitgebrachten Plakaten. „Ohne Not mach t die EU die
Rübe tot“ war die Botschaft eines überdimensionierten Plakates,
das an der Stadthalle angebracht war. Bäuerinnen und Bauern
verkleideten sich aus Protest als Zuckerrübe. Mit dem Symbol
einer Torte, die die zunehmende Beherrschung des Welthandels
durch Zuckerrohr aufzeigte, protestierten die Bauern, Landfrauen
und Landjugendlichen, beobachtet und interviewt von der großen
Anzahl von Medienvertretern des Bauerntages.
„Preissenkungen von über 42 Prozent sind absolut untragbar, sie
sind ein Skandal“, rief Sonnleitner den
Demonstrationsteilnehmern zu. Sie führten zu einer
existenziellen Gefährdung der gesamten deutschen
Zuckerwirtschaft. Der vorgeschlagene Ausgleich von theoretisch
60 Prozent sei zu niedrig, um die existenzbedrohlichen
Einkommensverluste in den Rübenbaubetrieben aufzufangen. Die
politisch Verantwortlichen ständen jetzt in der Pflicht,
tragfähige Kompromisse vorzuschlagen. Landwirtschaft sei kein
Abbruchunter-nehmen, sondern müsse als Wachstums- und
Zukunftsbranche verstanden werden, betonte Sonnleitner. Der
Anbau von Zuckerrüben und deren Verarbeitung dürften nicht auf
dem Altar eine liberalisierten Welthandels und einer verfehlten
Globalisierung geopfert werden. Das Präsidium des DBV hatte
zuvor detailliert in einer Erklärung zu den Reformvorschlägen
Stellung bezogen und seine Vorstellung einer Reform dargestellt
(siehe nachfolgender Artikel).
Vor den Demonstranten ging der Vorsitzende der
Arbeitsgemeinschaft Deutscher Rübenbauernverbände (ADR), Jan
Kirsch, hart mit den Vorschlägen EU-Kommission ins Gericht. „Auf
dieser Basis ist in Deutschland und Europa kein nachhaltiger
Zuckerrübenanbau mehr möglich“, erklärte Kirsch. 50.000
Rübenbauern in Deutschland und tausende Arbeitsplätze in der
Zuckerindustrie sowie vor- und nachgelagerten Sektoren seien
bedroht und gefährdet. Die bisherige Zuckermarktordnung habe den
Verbrauchern hohe Zuckerqualität zu stabilen Preisen garantiert,
auch dies werde durch Zucker aus Rohr gefährdet. In Deutschland
sei eine nachhaltige Landbewirtschaftung mit Zuckerrüben
vor-handen, mit der 400.000 Hektar Kulturlandschaft geschaffen
wurden - im Gegensatz zu den Zuckerrohrplantagen in Brasilien,
die mit Umwelt zerstörendem Anbau, aggressivem Handel und
geringer sozialer Verantwortung gegenüber den vielfach landlosen
Bauern ihr Zuckerangebot auf dem Weltmarkt ausgeweitet hätten.
Kirsch forderte kostendeckende Rübenpreise und eine weitere
Berücksichtigung der AKP-Staaten im EU-Handel, denen weiterhin
erlaubt bleiben müsse, Zucker in die EU zu importieren. |