Berlin, Germany
May 24, 2005
Das Präsidium des
Deutschen Bauernverbandes
(DBV) hat in seiner heutigen Sitzung über Reform der
EU-Zuckermarktordnung beraten und dazu die mit der
Arbeitsgemeinschaft Deutscher Rübenbauerverbände (ADR), der
Wirtschaftlichen Vereinigung Zucker (WVZ) und der Gewerkschaft
Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) eine gemeinsame Erklärung
verabschiedet.
Die EU-Zuckermarktordnung ist Existenzgrundlage für mehr als 300
000 landwirtschaftliche Betriebe, 220 Zuckerfabriken und rund
300 000 Beschäftigte im Zuckersektor der EU sowie seinen vor-
und nachgelagerten Bereichen. In Deutschland sind über 46.000
Rübenbauern und 6 500 Arbeitnehmer in der Zuckerindustrie sowie
rund 20 000 Beschäftigte in den vor- und nachgelagerten
Bereichen betroffen. Für zahlreiche Entwicklungsländer stellt
die EU-Zuckermarktordnung eine unverzichtbare
Wirtschaftsgrundlage dar.
Bei einer Umsetzung der bekannt gewordenen Pläne der
Generaldirektion Landwirtschaft der EU-Kommission für die Reform
der EU-Zuckermarktordnung würde die gesamte Zuckerwirtschaft
existenziell gefährdet.
Die vorgesehenen Senkungen des Zuckerpreises um mehr als 41 %
und der Rübenmindestpreise um mehr als 42 % würden trotz des
geplanten Ausgleichs von theoretisch 60 % zu
existenzbedrohlichen Einkommensverlusten in den
Rübenbaubetrieben und damit zu einem nicht verkraftbaren
Rückgang der Zuckerrüben- und Zuckererzeugung führen.
Der im Ansatz positive Vorschlag eines Restrukturierungsfonds
für die freiwillige Stilllegung von Zuckerquoten wird durch die
Weigerung der EU-Kommission konterkariert, die Initiative für
ein umfassendes Mengenmanagement für alle Zuckerimporte zu
ergreifen, wie es auch von den AKP-Staaten und den am wenigsten
entwickelten Ländern gefordert wird.
Die Entscheidung des WTO-Zuckerpanels gegen die EU und
insbesondere das Risiko faktisch unbegrenzter zollfreier Importe
– ohne Berücksichtigung jeglicher Umwelt- und Sozial¬standards
in der Produktion – stellen zusätzlich rund 40 % der
EU-Zuckererzeugung von gegenwärtig 20 Mio. t in Frage und
gefährden tausende von Arbeitsplätzen im ländlichen Raum.
Der Deutsche Bauernverband (DBV), die Arbeitsgemeinschaft
Deutscher Rübenbauerverbände (ADR), die Wirtschaftliche
Vereinigung Zucker (WVZ) und die Gewerkschaft Nahrung, Genuss,
Gaststätten (NGG) lehnen diese Existenz gefährdenden Vorschläge
strikt ab.
Für eine sachgerechte und zielführende Reform der
Zuckermarktordnung ist die Erfüllung folgender Kernforderungen
unverzichtbar:
1. Preissenkungen müssen auf das für sensible
Produkte im Rahmen der WTO-Verhandlungen umzusetzende
notwendige Mindestmaß begrenzt bleiben. Die von der
Kommission vorgeschlagenen Reduzierungen gehen weit darüber
hinaus und müs¬sen zwingend revidiert werden.
2. Preissenkungen bei Zuckerrüben müssen durch eine volle
Kompensation auf Basis einzelbetrieblicher top up’s
dauerhaft ausgeglichen werden; für die Kompensation ist der
Zeitpunkt des Inkrafttretens der Reform zu Grunde zu legen.
3. Die Beibehaltung einer Produktionsabgabe wird abgelehnt.
Sie führt zu einer weiteren Reduzierung der Nettoerlöse und
soll nur auf die EU-Produktion und nicht auf die zollfreien
Einfuhren erhoben werden. Damit wirkt sie zusätzlich
wettbewerbsverzerrend.
4. In den WTO-Verhandlungen müssen - insbesondere nach der
gegen den Geist der letzten WTO-Runde verstoßenden
Entscheidung des WTO-Zuckerpanels – auch für die EU neue und
ausreichende Zuckerexportrechte durchgesetzt werden. Das
Verbot von Dreiecksgeschäften (SWAP) im Rahmen der Alles
außer Waffen-Initiative (EBA), die Begrenzung der
LDC-Importe auf die tatsächlichen Nettoüberschüsse dieser
Länder und die Einordnung von Zucker als sensibles Produkt
im Rahmen der WTO zur Aufrechterhaltung eines ausreichenden
Außenschutzes sind unverzichtbar.
Sämtliche Präferenzeinfuhren von Zucker müssen in das
EU-Mengenmanagement einbezogen werden.
5. Die wirtschaftlichen Risiken der von der EU eingegangenen
Freihandelsabkommen dürfen nicht auf die Zuckerwirtschaft
abgewälzt werden. Das Interventionssystem muss deshalb
erhalten bleiben.
6. Der vorgesehene Restrukturierungsfonds für die
freiwillige Quotenrückgabe muss effizient ausgestaltet
werden, um eine Schwächung der wettbewerbsstärkeren
Standorte durch nicht notwendige Quoteneinschnitte zu
vermeiden und um wettbewerbsschwächeren Standorten den
Einstieg in andere Produktionszweige und die Schaffung
alternativer Beschäftigungsmöglichkeiten zu erleichtern.
7. Die Chemiezuckerregelung muss unverändert fortgesetzt
werden. Die von der Kommission geplanten Alternativen sind
abzulehnen. Sie schaffen keine Planungssicherheit und führen
zu zusätzlichen Quoteneinschnitten.
8. Die von der EU-Kommission geplante Laufzeit der neuen
Zuckermarktordnung bis 2014/15 ist im Grundsatz zu begrüßen.
Bei Berücksichtigung der vorgenannten Kernforderungen
eröffnet sie der Zuckerwirtschaft und den Arbeitnehmern eine
nachhaltige Perspektive.
Auf dieser Grundlage sind der Deutsche
Bauernverband (DBV), die Arbeitsgemeinschaft Deutscher
Rübenbauerverbände (ADR), die Wirtschaftliche Vereinigung Zucker
(WVZ) und die Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG)
bereit, konstruktiv an der Reform der EU-Zuckermarktordnung
mitzuarbeiten.
Jegliche Gefährdung der Existenz der deutschen Zuckerwirtschaft
wird auf den solidarischen Widerstand der über 46.000 deutschen
Zuckerrübenanbauer, des gesamten deutschen Berufsstandes und
aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer stoßen. |