Bonn, Germany
December 18, 2025
Der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter e. V. (BDP) blickt auf ein Jahr zurück, das die zentrale Rolle der Pflanzenzüchtung und eines funktionierenden Innovationssystems Pflanze deutlicher denn je sichtbar gemacht hat. Extremwetter, neue Schaderreger und Pflanzenkrankheiten sowie geopolitische Unsicherheiten haben vor Augen geführt, wie abhängig Deutschland und Europa von robusten, anpassungsfähigen Kulturpflanzen sind. „Sorten und Saatgut sind damit längst kein Randthema der Agrarpolitik mehr, sondern müssen ein zentraler Baustein gesamtstaatlicher Vorsorge sein“, appelliert BDP-Geschäftsführer Dr. Carl-Stephan Schäfer.
Regulatorische Weichenstellungen für Innovation
2025 war zugleich ein Jahr wichtiger regulatorischer Entscheidungen. Mit der Einigung im Trilog auf EU-Ebene zu neuen genomischen Techniken wurde eine Grundlage geschaffen, um den rechtlichen Rahmen für die Pflanzenzüchtung zu modernisieren. Der erzielte Kompromiss eröffnet die Perspektive, neue Züchtungsmethoden künftig tatsächlich nutzen zu können – Methoden, die für die Bewältigung klimatischer Risiken und die Stärkung der Ernährungssicherheit dringend benötigt werden. Entscheidend ist nun, dass das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union den Regelungen zeitnah zustimmen.
Vor allem der Schutz geistigen Eigentums bleibt eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine leistungsfähige und innovative Pflanzenzüchtung. Der BDP setzt sich weiterhin dafür ein, den Sortenschutz als zentrales Instrument zur Refinanzierung züchterischer Leistungen und als Motor des Züchtungsfortschritts konsequent zu stärken. Zugleich braucht es rechtlich verbindliche Regelungen, die den offenen Zugang zu pflanzengenetischen Ressourcen für alle Züchtungsunternehmen sichern und die Patentierbarkeit klar begrenzen. „Biologisches Material, das auch in der Natur vorkommen oder entstehen könnte, darf nicht patentiert werden. Nur so lassen sich langfristig neue und verbesserte Sorten entwickeln, die den Anforderungen von Landwirtschaft, Umwelt und Ernährungssicherheit gerecht werden“, fordert Schäfer.
Unverändert bleibt der strukturelle Handlungsbedarf: Pflanzenzüchtungsunternehmen entgeht weiterhin nahezu die Hälfte der ihnen nach dem Sortenschutzrecht zustehenden Nachbaugebühren. Der BDP setzt sich daher mit Nachdruck für eine Weiterentwicklung der gesetzlichen Regelungen ein, um faire Wettbewerbsbedingungen zu schaffen und die Innovationsfähigkeit der mittelständisch geprägten Pflanzenzüchtung dauerhaft zu sichern.
Im Nachgang zum sogenannten Erntegut-Urteil des Bundesgerichtshofs hat die Saatgut-Treuhandverwaltungs GmbH (STV) im Sommer 2024 die Erntegut-Bescheinigung eingeführt. Dieses freiwillige Instrument hat sich als wichtiger Baustein etabliert: Es ermöglicht Landwirtinnen und Landwirten, die rechtmäßige Erzeugung ihres Ernteguts zu dokumentieren, und bietet Händlern eine verlässliche Grundlage zur Erfüllung ihrer gesetzlichen Pflichten im Sortenschutzrecht. „Angesichts der Tatsache, dass die Entwicklung einer neuen Pflanzensorte bis zu 15 Jahre dauert und Investitionen von bis zu fünf Millionen Euro erfordert, ist die Refinanzierung züchterischer Leistung unverzichtbar“, betont Schäfer.
Forschung als Voraussetzung für Resilienz
Das Jahr 2025 hat zudem deutlich gemacht, dass Deutschland eine erheblich verstärkte und langfristiger angelegte Forschungs- und Innovationspolitik für die Pflanzenzüchtung benötigt. Nicht zuletzt die Ausbreitung der durch die Schilf-Glasflügelzikade verursachten Schäden zeigt, wie notwendig belastbare wissenschaftliche Strukturen sind, die Datenräume, Monitoring, Ressortforschung, akademische Exzellenz und züchterische Praxis systematisch miteinander verbinden. Ohne verlässliche öffentliche Forschungsförderung kann die Züchtung weder die notwendigen Resistenzen entwickeln noch Anpassungsstrategien für eine sich wandelnde Umwelt bereitstellen. „Will Deutschland neuen Schaderregern und Pflanzenkrankheiten wissenschaftlich fundiert und vorausschauend begegnen, muss die Bundesregierung diese Zielsetzung konsequent in seiner Forschungsagenda verankern“, so Schäfer.
EU-Saatgutrecht: Ratsmandat als wichtige Korrektur
Der BDP begrüßt die beginnenden Trilogverhandlungen zum neuen EU-Saatgutrecht. Damit ist eine zentrale Grundlage für die weitere Ausgestaltung eines modernen und praxistauglichen europäischen Saatgutrechts geschaffen worden. Zuvor hatte der Verband die Beratungen vor allem auf Ebene der Europäischen Kommission und des Europäischen Parlaments mit Sorge verfolgt. Insbesondere vorgesehene zusätzliche Ausnahmen bei der Zulassung und dem Inverkehrbringen von Sorten und Saatgut hätten bewährte Grundprinzipien des Saatgutrechts unterlaufen und erhebliche Risiken für die Versorgung der Landwirtschaft mit hochwertigem und gesundem Saat- und Pflanzgut mit sich gebracht.
Mit der nun vorliegenden Position des Rats der Europäischen Union wurden aus Sicht des BDP wesentliche Korrekturen erreicht. Zentrale Belange der Pflanzenzüchtung wurden aufgegriffen und der ursprüngliche Kommissionsvorschlag in entscheidenden Punkten nachgeschärft. „Das erteilte Ratsmandat muss der Maßstab für die weiteren Trilogverhandlungen sein. Nur so kann ein neues Saatgutrecht entstehen, das die Qualität von Sorten und Saatgut sichert und die Ziele einer nachhaltigen und resilienten Landwirtschaft unterstützt“, ist Schäfer überzeugt.
Ausblick 2026: Rahmenbedingungen verlässlich gestalten, Innovation ermöglichen
Mit Blick auf 2026 wird es entscheidend darauf ankommen, die eingeleiteten Reformen konsequent umzusetzen und die politischen Rahmenbedingungen für Pflanzenzüchtung und Saatgutwirtschaft weiter zu stabilisieren. Die anstehenden Entscheidungen zu neuen Züchtungsmethoden, zum europäischen Saatgutrecht sowie die von der Europäischen Kommission angestoßene Prüfung des europäischen Sortenschutzrechts werden maßgeblich bestimmen, ob Innovation in Deutschland und Europa tatsächlich Wirkung entfalten kann.
Der BDP wird diesen Prozess 2026 mit besonderem Nachdruck begleiten. Die politische Einordnung der Pflanzenzüchtung als Teil der kritischen Infrastruktur wird dabei eines der zentralen Themen des kommenden Jahres sein. „Wir werden uns weiter dafür stark machen, dass diese Bedeutung auch in politischen Entscheidungen, Forschungsprioritäten und regulatorischen Rahmenbedingungen konsequent berücksichtigt wird – im Interesse einer nachhaltigen, resilienten und zukunftsfähigen Agrar- und Ernährungspolitik“, erklärt Schäfer.